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Urlaub- und Reiseberichte

Türkei – Zahlen und Fakten

Das antike Attaleia, die Hauptstadt Pamphyliens, heute türkische Hafen- und Provinzhauptstadt an der Südküste Kleinasiens (Golf von Antalya), 378.000 Einwohner; Textilindustrie, Rosenölgewinnung; Flughafen, Pipeline. Landesnatur Das durchschnittlich 900 bis 1100 m hoch gelegene, von Steppe bedeckte Hochland von Anatolien wird von einzelnen, meist vulkanischen Gebirgsstöcken (Erciyas Dagi 3916 m) überragt. Es wird im Norden, längs der Schwarzmeerküste, vom Pontischen Gebirge (3937 m), dem nur teilweise ein schmaler Tieflandssaum vorgelagert ist, gerahmt, im Süden vom Taurus (3734 m), den einige fruchtbare Küstenstriche, u. a. um Adana und Antalya, begleiten. Südlich des Antitaurus geht das Land in die Syrische Wüste über. Das ostanatolische oder westarmenische Hochland, in das der abflusslose Vansee eingebettet ist, erreicht im Vulkankegel des Ararat 5165 m Höhe. Den Westen bildet das buchten- und inselreiche Küstenland an der Ägäis mit Häfen, alten Städten und fruchtbarem Land. Ein Rest europäischen Besitzes ist Ostthrakien mit dem Hauptteil von Istanbul. Der europäische Teil hat eine Fläche von 23 800 km2 und 6,2 Mio. Einwohner. Das Klima ist im Norden warm-gemäßigt und sehr feucht, an der West- und Südküste mittelmeerisch (Winterregen) und im Inneren streng kontinental. Wald (26% der Gesamtfläche) gibt es in üppigeren Beständen nur im Pontischen Gebirge.
Am dichtesten ist der europäische Teil besiedelt, im asiatischen Teil nimmt die Bevölkerungsdichte nach Osten ab. Außer den Kurden (10,6% der Bevölkerung) gibt es kleine Minderheiten von Arabern, ferner Tscherkessen, Armenier, Georgier und Griechen. 99% der Bevölkerung sind Moslems, etwa 1% Christen verschiedener Bekenntnisse. Zahlreiche Arbeitnehmer aus industriearmen Gebieten der Türkei sind zeitweise in Deutschland u. a. Ländern beschäftigt.

Die Landwirtschaft beschäftigt 48% der Erwerbspersonen und liefert rund 15% der Ausfuhr, vor allem Baumwolle, Tabak, Südfrüchte, Getreide, Wolle, Obst und Gemüse. An der Südküste wird besonders Baumwolle angebaut, an der Ägäis Wein, Ölbäume, Früchte und Tabak, am Schwarzen Meer Tabak und Mais, Haselnüsse und Tee. Fast 13% des gesamten Ackerlands werden künstliche bewässert. Auf den Steppen des Hochlands überwiegt meist extensive Viehzucht (Schafe, Angora- und gewöhnliche Ziegen, Rinder). Ackerbau ist dort nur auf bewässerten Flächen ertragreich (Getreide, Zuckerrüben, Sonnenblumen, Sesam, Flachs, Hanf). Umfangreich sind die Bodenschätze, die teilweise exportiert werden: Chrom und Kupfer, Eisen, Stein- und Braunkohle, Zink, Quecksilber, Uran, Erdöl und -gas. In steigendem Maß werden die Wasserkräfte genutzt, meist in Zusammenhang mit der künstlichen Bewässerung. Die führenden Zweige der verarbeitenden Industrie sind die Textil- und die chemische, daneben die Metall-, Papier-, Nahrungsmittel-, Glas-, keramische, Zement- und Tabakindustrie sowie die Eisen- und Stahlindustrie. Bekannt ist die traditionsreiche Teppichknüpferei. Die Industrie konzentriert sich vor allem im Großraum Istanbul, in der Region um Ankara sowie an der Südküste um die Städte Adana und Antakya. Die wichtigsten Außenhandelspartner der Türkei sind mit großem Abstand die Länder der EU (insbesondere Deutschland). Hauptausfuhrgüter sind Textilien, Nahrungsmittel, Eisen und Stahl.
Straßen – und Eisenbahnnetz sind trotz raschen Ausbaus noch recht weitmaschig: gesamte Straßenlänge 61.245 km, Eisenbahnnetz 10 466 km. Nach Istanbul sind die wichtigsten Häfen am Mittelmeer Izmir, Mersin, Iskenderun, am Schwarzen Meer Zonguldak, Samsun, Giresun und Trabzon. Die führenden Flughäfen sind Istanbul, Ankara, Izmir und Antalya. – Im Fremdenverkehr stehen die Besucher aus Deutschland zahlenmäßig an 1. Stelle.
Im 11. Jahrhundert begannen türkische Stämme über Buchara in den vorderasiatischen Raum einzudringen, nachdem sie den Islam angenommen hatten. Unter ihnen waren die Seldschuken, die im 11. Jahrhundert den ganzen Vorderen Orient beherrschten; nach ihrem Sieg bei Manzikert 1071 über das Heer des Byzantinischen Reichs besiedelten sie Kleinasien. Der Seldschuke Kylydsch-Arslan schuf 1097 im östlichen Anatolien ein Reich, in dem seine Nachfolger in Konya bis 1307 herrschten.

Dort rief um 1300 der Türke Osman I. zum Glaubenskampf gegen die Byzantiner auf. Er verdrängte Byzanz aus West-Kleinasien und legte den Grundstein zum Osmanischen Reich. Sein Sohn Orchan eroberte Brussa (Bursa, erste Hauptstadt des Osmanischen Reichs), organisierte die Verwaltung des neuen Staats und gründete aus christlichen Sklaven die Janitscharenarmee. Bereits Mitte des 14. Jahrhunderts drangen die Türken in Europa ein. Suleiman besetzte 1354 Gallipoli. Murad I. (1359-1389) eroberte Thrakien und verlegte die Residenz 1366 von Brussa nach Adrianopel. Die zur Abwehr vereinigten Balkanfürsten wurden 1389 auf dem Amselfeld besiegt, Serbien wurde tributpflichtig. Bajezid I. unterwarf 1393/94 Bulgarien und Teile Griechenlands. Das Kreuzheer unter Sigismund von Ungarn schlug er 1396 bei Nikopoli. 1402 unterlag er jedoch dem Mongolenkhan Timur bei Ankara. Mehmed I. konnte das Reich erneuern. Mehmed II. eroberte nach zweimonatiger Belagerung 1453 Konstantinopel (Ende des Byzantinischen Reichs). 1459 wurden Serbien, 1461 Griechenland, 1463 Bosnien und 1479 Albanien türkische Provinzen, die Walachei (1462), das Khanat der Krimtataren (1478) und Moldau (1506) wurden Vasallenstaaten. 1451 nahm Mehmed den Sultanstitel an. 1481 folgte Bajezid II., der 1512 von seinem Sohn Selim I. abgesetzt wurde. Selim I. besiegte 1514 den Safawiden-Schah Ismail von Persien und eroberte 1516/17 Syrien, Palästina, Ägypten und Gebiete Nordafrikas. Die Türkei war zur Weltmacht geworden. Das Kalifat ging an Istanbul über. Unter Suleiman dem Prächtigen (1520-1566) gewann die Türkei weitere Gebiete: 1521 fiel Bagdad, 1522 wurde Rhodos den Johannitern entrissen, 1533-1536 Mesopotamien erobert, die Ungarn 1526 bei Mohács besiegt, Wien 1529 vergeblich belagert. Cheir Ad Din Barbarossa schuf die Seemacht der Türken und unterstellte die Barbareskengebiete Tripolis, Tunis und Algerien ihrer Oberhoheit. Die Türkei hatte ihre größte Ausdehnung erreicht.

Unter Selim II. (1566-1574) und seinen Nachfolgern gab es erste Zeichen des Abstiegs. Hierbei spielten Machtkämpfe innerhalb der Dynastie, aber auch wirtschaftliche Gründe eine wesentliche Rolle. Von außen hielten Österreich und Persien die Machtentfaltung des Türkischen Reichs auf. 1571 wurde nach der Eroberung Zyperns die türkische Flotte von Venezianern und Spaniern bei Lepanto entscheidend geschlagen; die Vorherrschaft im Mittelmeer war verloren. Nach 1600 setzte der Niedergang der Türkei ein. Ahmed I. (1603-1617) musste in Ungarn und Persien erfolglos kämpfen. Nach inneren Machtkämpfen konnte Murad IV. (1623-1640) 1632 die Janitscharen entmachten und neu organisieren. Er besiegte 1633 den aufständischen Drusenfürsten Fachreddin II. und gewann 1638 Bagdad und Tabriz zurück. Unter Mehmed IV. (1648-1687) erstarkte die Türkei nochmals durch die Reformen des Großwesirs Mehmed Köprülü und seines Sohnes Ahmed. Nach der erfolglosen Belagerung Wiens 1683 gewann Österreich große Teile Ungarns. Im Frieden von Karlowitz 1699 musste Mustafa II. (1695-1703) Teile Ungarns und Siebenbürgen an Österreich, Podolien und die Ukraine an Polen, Asow an Russland und einen Teil des Peloponnes an Venedig abtreten. Auch Ahmed III. (1703-1730) konnte Ungarn nicht zurückerobern; die weiteren Gebiete, die die Türkei im Frieden von Passarowitz 1718 abtreten musste, gewann jedoch 1739 Mahmud I. (1730-1754) wieder.
Hauptgegner der Türkei wurde nun Russland. In der Regierungszeit von Mustafa III. (1757-1774) eroberten die Russen 1769/70 die Krim und drangen 1773 in Bulgarien ein. Friedrich II. von Preußen schloß 1761 einen Freundschaftsvertrag mit der Türkei, doch konnte er sie nicht zum Eingreifen im Siebenjährigen Krieg bewegen. Im Krieg gegen die vereinten Österreicher und Russen 1787-1792 konnte Selim III. (1789-1807) das türkische Gebiet erhalten. Sein Versuch, den Staat und die Janitscharen neu zu ordnen, scheiterte; er wurde gestürzt, als 1804 der Serbenaufstand nicht niedergeschlagen werden konnte und Russland in einem neuen Krieg 1806-1812 seine Grenze bis an den Pruth vorschob. Mahmud II. (1808-1839) vernichtete 1826 die korrupten Janitscharen und schuf ein modernes Heer; trotzdem konnte er nicht verhindern, dass Ägypten unter Mohammed Ali unabhängig wurde. Der 1821 ausgebrochene Aufstand der Griechen wurde mit Hilfe der ägyptischen Armee beinahe unterdrückt, doch die Flotten Englands, Russlands und Frankreichs erzwangen durch den Sieg über die türkisch-ägyptische Flotte 1827 bei Navarino die Freiheit der Griechen. Unter Abd ül-Medschid I. (1839-1861) unterstützten England und Frankreich die Türkei militärisch im Krimkrieg 1853-1856 gegen Russland, um dessen Vorherrschaft zu verhindern. Der Sultan musste hierfür den Christen größere Rechte gewähren. Unter Abd ül-Aziz (1861-1876) geriet die Türkei in immer größere Schulden; die Moldau und Walachei wurden 1859 selbständig (Rumänien); 1867 mussten die türkischen Truppen Serbien räumen. Abd ül-Hamid II. (1876-1909) gab dem Land 1876 eine Verfassung, hob sie aber 1878 wieder auf. Im russisch-türkischen Krieg 1877/78 besiegte Russland die Türkei; auf dem Berliner Kongress 1878 erhielten Rumänien, Serbien und Montenegro die volle Unabhängigkeit, in Nordbulgarien wurde ein selbständiges Fürstentum Ostrumelien geschaffen, Zypern kam an Großbritannien. Die Türkei wurde immer schwächer; sie musste hinnehmen, dass Frankreich 1881 Tunesien, Großbritannien 1882 Ägypten besetzte.

Seit 1883 wurde die türkische Armee durch deutsche Offiziere geschult. Von den Offizieren in Saloniki ging 1908 die Verschwörung der Jungtürken aus, die den Sultan zur Anerkennung der Verfassung zwangen und 1909 seine Abdankung erreichten. Ihm folgte Mehmed V. († 1918). Korruption und äußere Schwierigkeiten verhinderten die von den Jungtürken erstrebten Reformen. Nachdem Österreich 1908 Bosnien und die Herzegowina besetzt hatte, gingen 1911/12 Tripolitanien an Italien, in den Balkankriegen 1912/13 alle europäischen Gebiete außer Istanbul und Adrianopel verloren. Im 1. Weltkrieg kämpfte die Türkei auf deutsch-österreichischer Seite. Dauernde Erfolge hatte sie nur im Kaukasus gegen Russland. Nach anfänglichen Siegen im Irak gegen britische Truppen mussten die türkischen Truppen 1917 zurückweichen. 1917/18 besetzten britische Truppen Palästina und Syrien. Nach dem Waffenstillstand in Mudros 1918 besetzten griechische Truppen Smyrna.
Nun stellte sich in Anatolien Mustafa Kemal (der spätere Atatürk) an die Spitze der nationalen Bewegung. Er brachte ganz Anatolien unter seine Kontrolle. Der Abschluss des Friedens von Sèvres 1920 durch die Regierung in Istanbul, der die Türkei auf Anatolien beschränkte und Smyrna den Griechen zusprach, verstärkte die Bewegung Kemals. Er vertrieb 1921/22 die Griechen aus Anatolien, Frankreich verzichtete 1921 auf Kilikien. 1922 wurde der letzte Osmane Mehmed VI. als Sultan abgesetzt: Abd ül-Medschid II. blieb noch bis 1924 Kalif. 1923 wurde die Türkei zur Republik erklärt; erster Präsident wurde Kemal. Der Frieden von Lausanne 1923 gab der Türkei etwa ihr heutiges Staatsgebiet. Kemal nahm grundlegende Reformen zur Modernisierung der Türkei in Angriff (Kemalismus): Übernahme westeuropäischer Rechtssysteme, Trennung von Staat und Religion, Einführung der Lateinschrift und der Familiennamen, rechtliche Gleichstellung der Frau, Aufbau einer eigenen Industrie, Zurückdrängung des ausländischen Einflusses in der Wirtschaft. Es unterblieb jedoch eine durchgreifende Agrarreform. Einzige zugelassene Partei war die Republikanische Volkspartei. Außenpolitisch lehnte sich die Türkei zunächst an die Sowjetunion an; auf der Konferenz von Montreux 1936 erhielt sie die Hoheitsrechte über die Dardanellen zurück. Frankreich trat 1938/39 das Gebiet von Alexandrette (Iskenderun) an die Türkei ab. 1939 wurde ein Beistandspakt mit Großbritannien und Frankreich geschlossen. Nach dem Tod Atatürks 1938 wurde Ismet Inönü Staatspräsident und führte dessen Politik fort. Im 2. Weltkrieg blieb die Türkei neutral; sie erklärte erst 1945 formell Deutschland den Krieg. Nach dem Krieg schloß sich die Türkei dem westlichen Bündnissystem an; 1952 trat sie der NATO bei, 1955 dem Bagdad-Pakt (seit 1959 CENTO, 1979 aufgelöst). 1963 wurde die Türkei mit der EWG assoziiert.

Die mit der Einführung des Mehrparteiensystems seit 1946 zugelassene Demokratische Partei gewann 1950 die Wahlen und stellte mit ihrem Parteivorsitzenden C. Bayar den Staats- und mit A. Menderes den Ministerpräsidenten. Ihre Regierung, die sich von Grundsätzen des Kemalismus abwandte und die Opposition mit diktatorischen Mitteln auszuschalten suchte, wurde 1960 durch einen Staatsstreich des Militärs gestürzt, Menderes 1961 hingerichtet. Nach vorübergehender Militärdiktatur ging die Regierung 1961 wieder in zivile Hände über (mehrere Koalitionskabinette). Die Nachfolgerin der Demokratischen Partei, die Gerechtigkeitspartei, gewann die Wahlen 1965; ihr Führer S. Demirel wurde Ministerpräsident und blieb es nach einem weiteren Wahlsieg 1969. Er wurde 1971 vom Militär zum Rücktritt gezwungen. Die folgenden Kabinette waren vom Militär abhängig. Die Wahlen 1973 und 1977 erbrachten keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Demirel u. B. Ecevit, dessen sozialreformerische Republikanische Volkspartei 1977 knapp die absolute Mehrheit verfehlte, standen mehrmals abwechselnd an der Spitze labiler Koalitions- oder Minderheitsregierungen. Nach dem Putsch auf Zypern 1974 besetzte die Türkei ein Drittel der Insel und erkannte als einziger Staat die 1983 einseitig proklamierte Türkische Republik Nordzypern an. Hierdurch wurden die Beziehungen zum NATO-Partner Griechenland stark belastet.
Als die politische Radikalisierung immer mehr zunahm und sich eine Einigung der beiden großen Parteien unter Demirel und Ecevit als unmöglich erwies, übernahm das Militär 1980 erneut die Macht. Generalstabschef K. Evren wurde Staatsoberhaupt. Die Militärregierung suspendierte die Verfassung, verbot die Parteien und stellte die innere Ruhe mit drakonischen Mitteln wieder her. Den bisher führenden Politikern wurde die politische Betätigung untersagt. Eine auf Veranlassung der Militärs ausgearbeitete neue Verfassung wurde 1982 in einer Volksabstimmung angenommen. Damit verbunden war die Wahl General Evrens zum Staatspräsidenten auf 7 Jahre. 1983 fanden Parlamentswahlen statt, bei denen nur drei neugegründete Parteien zugelassen waren. Die von den Militärs nicht favorisierte Mutterlandspartei (AnaP) errang die absolute Mehrheit; ihr Führer T. Özal wurde Ministerpräsident. 1984 begann die 1978 gegründete illegale Kurdische Arbeiterpartei (PKK) einen Guerillakrieg gegen die türkische Armee. 1987 wurde durch Volksabstimmung das Betätigungsverbot für frühere Politiker aufgehoben. Bei der anschließenden Parlamentswahl konnte die Mutterlandspartei ihre Mehrheit behaupten. Özal wurde 1989 zum Staatspräsidenten gewählt. Bei den Parlamentswahlen 1991 löste die Partei des Rechten Weges unter Führung von S. Demirel die Mutterlandspartei als stärkste politische Kraft ab. S. Demirel bildete mit der Sozialdemokratischen Volkspartei eine Koalitionsregierung. Im April 1993 starb überraschend Staatspräsident Özal. Zu seinem Nachfolger wurde Demirel gewählt. Mit T. Ciller übernahm erstmals eine Frau das Amt des Ministerpräsidenten. Der militärische Konflikt mit den Kurden im Südosten der Türkei verschärfte sich weiter.

Bei vorgezogenen Neuwahlen im Dezember 1995 gewann die islamistische Refah-Partei unter N. Erbakan die meisten Stimmen. Neuer Ministerpräsident an der Spitze einer konservativen Koalitionsregierung wurde jedoch M. Yilmaz (AnaP). Bereits im Sommer 1996 zerbrach die Koalition an inneren Zwistigkeiten. N. Erbakan, der Führer der Refah-Partei, bildete mit der Partei des Rechten Weges eine neue Regierung. 1997 trat Erbakan von seinem Amt zurück. Die Behörden verboten im Januar 1998 die Refah-Partei. Nachfolger Erbakans als Ministerpräsident wurde M. Yilmaz, der nach einem Misstrauensvotum des Parlaments schon im November 1998 wieder zurücktrat. Sein Nachfolger wurde im Januar 1999 B. Ecevit, der auch nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im April 1999 im Amt blieb. Er bildete eine Koalitionsregierung mit der Partei der Nationalen Bewegung und der Mutterlandspartei. Am 29. 6. 1999 wurde der PKK-Führer A. Öcalan wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Der Appellationsgerichtshof in Ankara bestätigte am 25. 11. 1999 das Todesurteil. Im Mai 2000 wählte das Parlament A. N. Sezer, den Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, zum neuen Staatspräsidenten.

Nach der mehrfach geänderten Verfassung von 1982 ist die Türkei eine parlamentarische Republik. Der Staatspräsident wird vom Parlament für eine Amtszeit von 7 Jahren gewählt. Das Präsidentenamt ist mit großen Machtbefugnissen ausgestattet. So hat der Staatspräsident das Recht, Gesetze an das Parlament zurückzuverweisen. Außerdem ist er befugt, den Ausnahmezustand zu verhängen und durch Dekret zu regieren, was allerdings nachträglich vom Parlament gebilligt werden muss. Er ernennt den Ministerpräsidenten und auf Vorschlag des Ministerpräsidenten die Minister. Die Große Nationalversammlung hat 550 Abgeordnete, die für 5 Jahre gewählt werden. Bei der Mandatsverteilung werden nur die Parteien berücksichtigt, die mindestens 10% der Gesamtstimmen erhalten haben. Das türkische Parteiensystem hat sich noch nicht stabilisiert; Spaltungen, Fusionen und Übertritte von Abgeordneten sind häufig. Die wichtigsten Parteien sind die nationalistische Partei der Nationalen Bewegung (MHP), die rechtspopulistische Partei des Rechten Weges (DYP), die liberal-konservative Mutterlandspartei (AnaP), die gemäßigt linken Gruppierungen Republikanische Volkspartei (CHP) und Demokratische Linkspartei (DSP) sowie die islamistische Tugendpartei (FP). Das Militär versteht sich traditionell als Sachwalter des Kemalismus und beansprucht eine Schiedsrichterrolle im politischen Leben.
In Ost-Turkistan gab es die Malerei manichäischer Türken aus dem 8.-9. Jahrhundert in Chotcho (Turpan-Kunst) und buddhistischer Türken in Bezeklik (9.-12. Jahrhundert). Schwerpunkt der Maltradition blieb das osttürkische Königreich der Uighuren. Nach der islamischen Eroberung West-Turkistans im 9. Jahrhundert beeinflusste die Steppenkunst türkischer Prätorianerbevölkerung die islamische Kunst der Kalifenresidenz Samarra. Der resultierende Schrägschnittstil des Baudekors verbreitete sich als „Reichsstil“ der Abbasiden in Irak, Ägypten, Turkistan. – Im 11.-12. Jahrhundert entfaltete sich unter türkischen Herrschern in Afghanistan (Ghasna) und Iran (Ray) die seldschukische Kunst (islamische Kunst) mit reichem Kunstgewerbe. Neue Bautypen waren die religiöse Hochschule (Medrese) und das Mausoleum (Türbe, Grabturm). In Bagdad entwickelte sich nach 1200 eine Schule der Buchkunst und Miniaturmalerei. – Nach 1171 erlangte die seldschukische Baukunst im Reich von Rum (Kleinasien) eine Blüte. Die Hauptstadt Konya verfügte über einen Palast, Moscheen, Medresen, Klöster (Tekke) mit reicher Bauausstattung in reliefiertem Stein, Stuck, Holz und verschiedenen Fayencedekor. Bedeutende Karawanserei-Anlagen entstanden entlang der Überlandstraßen. Einzigartige Zeugnisse großformatiger Knüpfteppiche sind erhalten (Istanbul, Museum für türkische und islamische Altertümer).

Seit Aufstieg des Osmanenreichs zur Großmacht bildete sich ein eigener Stil innerhalb der islamischen Kunst heraus. Die Baukunst vollendet den Typ der Kuppelmoschee, deren frühere Beispiele in Bursa und Edirne liegen. Höhepunkte der Moscheearchitektur schuf Sinan in Istanbul und Edirne. – Bedeutende Leistungen brachte die osmanische Kunst auf dem Gebiet der Keramik, besonders der Baukeramik (bemalte Fliesen) hervor. Die Hauptmanufakturen befanden sich in Iznik. Das wichtigste Zentrum der gleichfalls hervorragenden Seiden- und Samtweberei war Bursa, während die Teppichkunst ihre besten Fertigungsstätten in Istanbul, Uschak und Bergama besaß. Schriftkunst und Malerei orientierten sich vorwiegend an der persischen Kunst. Seit den Reformen Kemal Atatürks richtete sich die türkische Kunst im Wesentlichen nach den Strömungen in Westeuropa. Bedeutendste Vertreter der jüngeren türkischen Künstlergeneration sind die im Exil lebenden Hanefi Yeter (Maler), Abidin Dino (Grafiker; vor allem Buchillustrationen zu Werken von Nazim Hikmet) und Mehmet Aksoy (Bildhauer), die, auf der orientalischen Bildtradition und modernen Einflüssen aufbauend, eine stark sozial engagierte Kunst pflegen.

Vom 13. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts stand die türkische Literatur als Bildungskunst der Oberschichten unter islamischem, besonders persischem Einfluss. Die Blütezeit dieser älteren türkischen Literatur lag im 16. Jahrhundert. Mit dem Einströmen westlicher Bildung stand das 19. Jahrhundert unter französischem Einfluss. Roman, Theater und Essay wurden in die türkische Literatur durch die Schriftsteller der Tanzimat-Zeit (Mitte des 19. Jahrhunderts) eingeführt. Die um die 1891 gegründete Zeitschrift Servet-i-fünun („Schatz der Wissenschaften“) gescharten Schriftsteller suchten neuen Inhalt und neue Form. Ihre Parole war „l’art pour l’art“. 1908 begannen die Schriftsteller der Gruppe Fedjri-Ati („Morgenröte der Zukunft“), sich der nationalen Literatur mit der Losung „halka dogru“ („hin zum Volk“) zuzuwenden.

Die Hauptvertreter einer neuen sprachpuristischen Dichter-Generation sind Ömer Seyfettin, Mehmet Emin Yurdakul u. a. Ahmet Hasim führte den Symbolismus in die türkische Literatur ein. Seiner Generation gehören zwei weitere Dichter ersten Ranges an: Yahya Kemal Beyatli, der seine Inspiration aus der parnassischen Schule schöpfte, und Ziya Gökalp, der Erste unter den türkischen Soziologen und den Theoretikern des Nationalismus; er benutzte die Dichtkunst mehr für didaktische Zwecke. In der Dichtung haben sich die Lyriker Orhan Veli Kanik, Oktay Rifat, Fazil Hüsnü Daglarca, ferner Attila Ilhan, Behçet Necatigil, Nefzat Üstün u. a. An der Spitze der Romanschriftsteller in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht der Erzähler Yakup Kadri Karaosmanoglu, ihm zur Seite stehen Sabahattin Ali und Resat Nuri Güntekin, dessen einfacher, gefälliger Stil ihn zum populärsten und bekanntesten türkischen Romancier gemacht hat (Roman: „Der Zaunkönig“). Als kraftvoller revolutionärer Lyriker und Dramatiker, zu Lebzeiten als Marxist in der Türkei verfemt, gilt Nazim Hikmet. Sait Faik Abasiyanik, Orhan Kemal und Kemal Tahir gelten als Meister der Kurzgeschichte. Seit den 1950er Jahren haben vor allem Yasar Kemal und Fakir Baykurt mit ihren Romanen über Armut und Elend des dörflichen Lebens in Anatolien Beachtung gefunden. Wichtige Vertreterinnen der Frauenliteratur sind Sevgi Soysal und Selçuc Füruzan. Einer der populärsten Schriftsteller ist Azis Nesin mit seinen zeitkritischen und satirischen Romanen und Erzählungen. Unter den jüngeren Autoren ragt Orhan Pamuk heraus. Seit den 1960er Jahren entwickelte sich in Westeuropa, bes. in Deutschland, eine Arbeiter- und Emigrantenliteratur, deren Hauptvertreter Aras Ören ist.

Während sich die diatonisch ausgerichtete Volksmusik noch immer als spezifisch türkisch ausweist, zeigt die frühere, von Berufsmusikern am Hof von Istanbul wie auch in den Klöstern von den Derwischen gepflegte Kult- und Kunstmusik arabisch-iranische und byzantinische Einflüsse. Wie überall im Orient beruhte auch die türkische Musik vor ihrer Modernisierung auf dem monodischen Prinzip und zeigte rhythmischen Reichtum. Von der geistlichen Musik sind frühe Derwischgesänge, Hymnen und prophetische Gebete überliefert, von der weltlichen Musik Vokal- und Instrumentalsätze in Suitenform.
Die in der türkischen Musik verwendeten Instrumente sind lautenartige Zupf- und Streichinstrumente, oboen-, klarinetten- und flötenartige Blasinstrumente, Trompeten, Hörner und zahlreiche Schlaginstrumente wie Davul, Darabuka, Def oder Daira oder die in der alten Janitscharenmusik verwendeten Klangwerkzeuge. – Wichtigste mittelalterliche Musiktheoretiker türkischer bzw. turkistanischer Herkunft sind Al-Farabi, Safieddin und Avicenna, Meister des 19. Jahrhunderts Haci Arif Bey und Osman Bey. Von den modernen Komponisten schreibt ein Teil gänzlich im abendländischen Stil, andere suchen eine Verbindung mit der türkischen Musik. Bekanntester Komponist des 20. Jahrhunderts war Ahmed Adnan eSaygun.

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